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Zurück zur Nachrichten-Übersicht ![]() Reinhard Grindel auf seiner Sommertour in der Achimer Bergstraße Interview mit Reinhard Grindel (MdB) Herr Grindel, warum unternehmen Sie zum zweiten Mal in Folge eine solche Sommertour? Ich habe beim Wahlkampf 2002, als man ja auch sehr viele Betriebsbesichtigungen und Gespräche mit Bürgern geführt hat, immer wieder gehört:“ Vor der Wahl kommen dann die Politiker und hinterher sieht man sie nicht mehr.“ Da hab ich mir gesagt: Gut, 2002 hast du das erste Mal kandidiert und ich konnte das Gegenteil noch nicht beweisen; aber jetzt eben -und deswegen mache ich es regelmäßig. Im letzten Jahr zum ersten Mal und ich werde es auch im nächsten Jahr machen, um den Bürgern zu demonstrieren, man kommt auch und gerade dann, wenn es nicht um Wählerstimmen geht. Einfach um zu erfahren, welche Probleme es im Wahlkreis gibt. Ich lerne unheimlich viel bei diesen Veranstaltungen, lerne den Wahlkreis viel besser kennen und habe dabei natürlich auch Gelegenheit, unsere Politik in Berlin zu erörtern. Auch gerade gegenüber Menschen, die vielleicht nicht regelmäßig in politische Veranstaltungen gehen und die ich bei der Gelegenheit treffe. Seit 2 Jahren vertreten sie unseren Wahlkreis im Deutschen Bundestag. Wie sieht ein typischer Berliner Arbeitstag für Sie aus? Das kommt immer auf den Tag drauf an. Am Montagabend ist immer unsere Landesgruppensitzung, da treffen sich alle CDU Abgeordneten aus Niedersachsen, das ist bei den Sozialdemokraten genauso. Montags trifft man mittags im Büro ein und versucht, den Schreibtisch von der vielen Post und den Drucksachen zu leeren, das gelingt nicht immer. Dienstags haben wir nur Sitzungen, und zwar trifft man sich einmal mit den Kollegen aus dem Ausschuss, dem man angehört. Bei mir ist es der Innenausschuss, dass heißt, ich habe morgens die Sitzung der Arbeitsgruppe „Innen“, nachmittags ist Fraktionssitzung. Mittwochs ist dann Innenausschuss. Mittwoch Nachmittag, Donnerstags und Freitags ist Plenum im Bundestag, dafür bereiten Kollegen in der Fraktion Anträge vor. Das gescheit natürlich während der Plenarsitzungen, deshalb sitzen da auch nie so viele Abgeordnete. Natürlich müssen sie auch sehr viel lesen als Vorbereitung für ihre zahlreichen Termine oder Briefe an Bürger diktieren. Aber ich habe auch ganz viele Termine nebenbei, z.B. in Arbeitsgruppen und mit Menschen, die etwas von mir wollen. Ich bin zuständig für Ausländer- und Asylpolitik, also kommt es schon mal vor, dass Amnesty International oder andere Gruppen mit mir über aktuelle Fragen reden wollen. Wie viel Ihrer Zeit verbringen Sie eigentlich in Berlin? Bleibt da überhaupt noch Zeit für Ihren Wahlkreis und natürlich für Ihre Familie? Ja, für den Wahlkreis schon, weil sie von den 52 Wochen im Jahr 22 Sitzungswochen in Berlin haben. Dort bin ich auch wirklich nur von Montags bis Freitags. Den Rest der Zeit lebe ich in Rotenburg wo ich zu Hause bin. Dem entsprechend betätige ich mich dann in meinem Wahlkreis. Das die Familie darunter leidet, das ist wohl wahr, aber das hat meine Lebensgefährtin, als wir uns kennen gelernt haben, von Anfang an gewusst. Da war ich schon Bundestagskandidat und das ist eben das Problem in einem so großen Wahlkreis mit den beiden Landkreisen Rotenburg und Verden. Da müssen sie schon unglaublich viel unterwegs sein am Wochenende, um überhaupt möglichst flächendeckend überall Präsens zu zeigen. Die Leute erwarten, dass man regelmäßig ist für Gespräche mit den Bürgern zur Verfügung steht und ein Abgeordneter zum Anfassen ist. Bis vor wenigen Jahren waren Sie Studioleiter des ZDF in Berlin. Hat sich Ihre Meinung über Pressearbeit verändert, seitdem Sie vor der Kamera stehen? Ich beziehe das jetzt auf den Journalismus in Berlin. Den habe ich ja insofern selbst auch in dieser Form erlebt, weil ich vor meiner Studioleiterzeit in Brüssel und Berlin selbst als Journalist in Bonn tätig war, und zwar als Parlamentsredakteur. Also im Grunde habe ich genau das gemacht wie heute, sozusagen bei vielen meiner Kollegen beobachtet. Dazu gibt es viel zu sagen. Ich finde, dass leider sehr aufgeregt über manche Dinge berichtet wird. Obwohl die Probleme immer komplizierter werden, berichtet gerade das Fernsehen sehr kurz und oberflächlich. Damit wird man den schwierigen Themen nicht gerecht. Es müsste mehr Zeit für Erklärungen geben, um den Leuten also erstmal ein Problem zu verdeutlichen, bevor man über die verschiedenen Lösungsansätze diskutiert. Ich glaube auch, dass wir etwas zu stark personalisieren, also sehr schnell überall auch Konflikte innerhalb der Parteien aufbauschen. Ich glaube, dass die Wähler eher wissen wollen, wie die Parteien die Probleme ihres Alltags lösen möchte und diesen Parteienstreit gar nicht so interessant finden, schon gar nicht den innerparteilichen. Also unterm Strich wünsche ich mir eine etwas tiefer gehende und weniger aufgeregte Berichterstattung. Was bezeichnen Sie als Ihren bisher größten politischen Erfolg? Man muss nun fairerweise sagen, dass ich Oppositionsabgeordneter bin. Damit kann man natürlich nicht so viel bewegen, wie das ein Abgeordneter der Regierungsfraktion machen kann. Ich glaube, der größte Erfolg für den Wahlkreis war in der Tat, dass gemeinsam mit der niedersächsischen Landesregierung erreicht werden konnte, die Ortsumgehung Bremervörde im erforderlichen Bedarf zu behalten. Das wollte die Regierung ursprünglich nicht. Auf Bund-Länder-Ebene konnten wir dieses durch Verhandlungen erreichen. Aber es gibt auch viele kleine wie die Lärmschutzwand im Achimer Bruch und auch bei der Postversorgung hat man einiges besser machen können. Nicht genug, es gibt ja gerade wieder eine große Schließungswelle der Postfilialen. Ich hoffe, ab 2006 als Regierungsmitglied da mehr bewegen zu können. Und was war Ihre bitterste politische Niederlage? Das war der Wahltag selbst. Einmal habe ich es nicht schaffen können, gegen den Bundestrend, den wir 2002 hatten, den Wahlkreis zu gewinnen. Dass wir insgesamt bei der Bundestagswahl unterlegen sind, ist schon für mich persönlich die bitterste Niederlage gewesen. Ansonsten ist es so, dass es immer mal wieder Entscheidungen der Regierung auch für den Wahlkreis gibt, die ich natürlich ganz anders sehe. Oft werden große Auseinandersetzungen geführt, weil Entscheidungen der Bundesregierung große Probleme für den Wahlkreis mit sich bringen. Aber das ist in einer Demokratie nun mal so, dass die Mehrheit entscheiden kann. Deutschlands Wirtschaft dümpelt derzeit vor sich hin, immer mehr Menschen werden arbeitslos. Haben Sie ein Rezept, wie es wieder bergauf gehen könnte? Da brauchen wir mehrere Elemente. Ich glaube, ganz wichtig ist die Erkenntnis, wie die anderen europäischen Länder um uns herum erfolgreicher geworden sind als wir. Dort ist ja durch die Bank, bis auf wenige Ausnahmen, die Arbeitslosigkeit geringer, die Beschäftigungsquote auch gerade bei Älteren höher. Es gibt weniger Verschuldung, mehr Wachstum und auch weniger Lohnnebenkosten. Das halte ich für den Dreh- und Angelpunkt. Wir müssen bei unseren Arbeitskosten runter, insbesondere die Lohnnebenkosten sind zu hoch. Ganz konkret wir brauchen eine Gesundheitsreform, die auch funktioniert und ein flexibleres Recht des Arbeitsmarktes. Dazu zählen nicht nur Veränderungen beim Kündigungsschutz sondern auch, dass man flexiblere Arbeitszeiten vor Ort im Betrieb anordnen kann. Wir brauchen eine Reaktivierung des Niedriglohnsektors. Es kann nicht sein, dass viele Sozialhilfeempfänger heute mehr verdienen als die Leute, die als Verkäuferinnen oder auf dem Bau einfachen und geringen Tätigkeiten nachgehen. Das heißt, da müssen wir auf der einen Seite fordern indem wir verlangen, dass die Leute wieder einfachen und geringen Tätigkeiten nachgehen. Auf der anderen Seite fördern indem wir sagen, wer bereit ist, im Niedriglohnsektor etwas zu tun, der darf einen Teil seiner Sozialhilfe behalten. Wir müssen Lohnkostenzuschüsse auch an Unternehmen geben, damit sie Langzeitarbeitslose wieder einstellen. Wir müssen eben intelligentere Maßnahmen treffen, um diejenigen, die im Augenblick außerhalb des Arbeitsmarktes stehen, wieder in den Arbeitsmarkt zu bringen. Wenn wir mehr Leute in Arbeit bringen, dann geht es dem Staat besser, weil er nicht so viele Sozialleistungen tätigen muss. Und es geht auch den Unternehmen besser, weil wir eben damit die Arbeitskosten runter bekommen. Der letzte Punkt ist die Steuerreform. Wir haben ja ein Riesenproblem bei unserer Binnenkonjunktur. Der Export läuft einigermaßen, aber wir kommen wirtschaftlich nicht voran, weil wir eine sehr schwierige Lage auf unserem deutschen Markt haben. Wenn wir mit einer Steuerreform erreichen, dass vor allen Dingen Familien mit Kindern und Niedrigverdiener mehr Geld netto in der Tasche haben, dann würde sich auch eine größere Nachfrage entwickeln. Und insgesamt müssen wir den Menschen unmittelbar nach der Wahl sagen, was auf sie zukommt und Planungssicherheit schaffen. Es gibt ja viele, die jetzt aus Angst sparen, obwohl sie noch Geld auf der hohen Kante haben. Gestern starteten viele junge Menschen in ihre Ausbildung. Doch leider fehlen auch dieses Jahr tausende Ausbildungsstellen. Das Wort „Ausbildungsplatzabgabe“ geisterte durch die Presse. Was halten sie von einer solchen Abgabe? Ich halte davon überhaupt nichts, da wir die Wirtschaft entlasten sollten und nicht belasten. Man muss auch fair sein und sagen, bei uns im Landkreis Verden ist die Ausbildungssituation gar nicht so belastend. Ich habe gerade mit der Kreishandwerkerschaft gesprochen, wir haben fast wieder so viele Ausbildungsplätze wie im letzten Jahr. Man muss natürlich zwei Dinge sehen, zum einen haben wir Insolvenzen im Bereich Bau und Einzelhandel. Das sind gerade die Wirtschaftsbereiche, in denen besonders viel ausgebildet worden ist. Wenn da also Arbeitsplätze verloren gehen bei Insolvenzen, heißt das auch, dass Ausbildungsplätze verloren gehen. Zum Anderen müssen wir auch reden über die Ausbildungsfähigkeit der jungen Leute, die von der Schule abgehen. Wir haben bundesweit zwar eine Lehrstellenlücke von 30.000. Wir haben aber 90.000 Jugendliche, die ohne Abschluss die Schule verlassen. Viele verlassen die Schule zwar mit einem Abschluss, sind aber trotzdem sehr gering qualifiziert sind. Außerdem haben wir ein Problem mit immer mehr jungen Aussiedlern und Ausländern, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind. 2006 ist die nächste Bundestagswahl. Haben Sie für sich bereits die „K“ Frage beantwortet? Ja, ich gehe davon aus, dass Angela Merkel Kanzlerkandidatin wird. Sie ist eine gute Fraktionsvorsitzende. Ich glaube, dass sie viele Menschen für die CDU gewinnen kann. Vor allem bei den Frauen in Ostdeutschland, die vielleicht bei der letzten Bundestagswahl den Weg nicht zu uns gefunden haben. Deswegen sag ich ganz offen, für mich hat Angela Merkel das Erstzugriffsrecht auf die Kanzlerkandidatur. Ich gehe davon aus, dass sie davon auch Gebrauch machen wird. Aber gleichwohl ist es so, dass diese Entscheidung dann 2006 getroffen wird. |
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